Ja, die Inhaltsangabe... Wenn Du unbedingt wissen willst, was am Anfang des zweiten Akts passiert, dann musst du unten weiterlesen. Wenn Du das Stück noch sehen wilsst, dann lass dich doch einfach überraschen, es macht dann einfach mehr Spaß...
Wir waren nach unserem großen Erfolg mit unserem Stück "tell Tell" von Albert Frank so begeistert, dass wir uns schon kurz nach den ersten Aufführungen von „tell Tell“ entschieden hatten, dass auch unser nächstes Stück ein „Klassiker“ der deutschen Literatur sein sollte. Die aktuellen, tagespolitischen Themen, in deren Zentrum immer intensivere und weltweite Religionskonflikte und -kriege standen und stehen, lenkten unseren Blick auf Lessings „Nathan der Weise“, ein Klassiker, der an Schulen auf dem Lehrplan seinen festen Platz hat.
Auf einer Gastspielreise nach Wien machten wir bei Vienna Walkeine Führung durch das „jüdische Wien“. Wir wurden von Frau Dr.Timmermann stark inspiriert. Sie erzählte uns von einer Welt, diewir so noch nicht kannten: das religiös, kulturelle Leben der orthodoxenJuden in Wien, ihre Armut, ihren Reichtum, ihre Verfolgungen,ihren Widerstand.Sie erklärte uns das Stück „Nathan der Weise“ und die Auswirkungendes Lessingschen Werkes auf die realpolitische Situation derdamaligen Zeit:
„Hundert Jahre Sicherheit für die Juden in Wien, das istdoch was!“
Schließlich – am Lessingdenkmal in Wien, am Judenplatz – gabenwir uns die Hand darauf, dass wir „den Nathan“ tatsächlich bearbeiten wollten.
Es war klar, dass es nicht einfach werden würde, einen Weg zufinden „Nathan der Weise“ zu bearbeiten: Unser Bestreben war,dass wir einerseits Lessings wortgewaltige Sprache unbearbeitetzur Geltung bringen wollten, aber andererseits unsere eigene Stellungnahmezu aktuellen Religionskonflikten nicht zu kurz kommendurfte. Gleichzeitig sollte das Stück keinesfalls länger als 1½ Stundendauern und doch sollte das Stück „Nathan der Weise“ vonGotthold Ephraim Lessing als solches erkennbar bleiben.Wir wollten so vorgehen: Eine Theatergruppe bestehend aus fünf
Ensemblemitgliedern bearbeitet den Klassiker „Nathan der Weise“.Sie gehen ambitioniert ans Werk, denn sie wollen den Nathanwerkgetreu und wenig gekürzt spielen. Das gelingt auch und sobeginnt „Na dann Nathan“ wie ein ganz normales Theaterstück mitdem 1. Akt.
Durch diesen Beginn spielen wir zu Anfang des Stückes etwa 40Minuten lang den kompletten 1. Akt und den Anfang des 2. Aktsin Originalfassung. Das Meistern der Sprache von Lessing unddas lebendige Umsetzen der Szenen war an sich schon ein großesUnterfangen, das Kürzen des sehr wortgewaltigen und langenStücks ein noch viel größeres. Wir arbeiteten fast ein ganzes Jahrallein mit und an den Originaltexten. Sie brauchen einiges an Könnenund auch sprachliches Vermögen, um verständlich zu werden.Es waren bisher die schwierigsten Texte, die wir bearbeiteten. VonBeginn an war klar, dass wir die Ringparabel als Kernstück deslessingschen „Nathan“ ungekürzt aufführen wollten.
„Nathan der Weise“ begeistert uns schon seit langem. Viele von uns finden die „Ringparabel“ sensationell. Schließlich, als wir mit dem „Tell“ in Wien waren und hörten, welchen fundamentalen Einfluss Lessings „Nathan“ auf die gesellschaftlichen Verhältnisse in dieser Stadt hatte, entschlossen wir uns, das Stück als Grundlage für unsere nächste Produktion zu wählen. Zusätzlich waren und sind wir sehr begeistert von der „zweiten Ebene“ die Albert Frank in sein Stück „tell Tell“ eingebaut hat, sodass wir dieses Konzept weiter benutzen wollten. So fanden wir auch rasch zum Titel unserer nächsten Produktion, der sich an „tell Tell“ anlehnt: „Na dann Nathan“.
Zwischen dem 2. Akt und der Ringparabel sollte der Mittelteilunseres Stückes liegen. Dies sollte der Ort sein, an dem all dasstattfinden sollte, was wir selbst so zu den religiösen Konfliktenund Kriegen unserer Zeit denken.Wir erzählten uns unsere eigenen Glaubensbekenntnisse, wir schrieben
Texte zu Themen wie „Wenn unser Glaube nicht mehr greift,was dann?“ „Wie fluchen wir, wenn uns unser „Gott“ verlassen hat?“„Wie heißen die Götter, an die wir glauben?“ „Was versteckt sichhinter einem Glaubenskrieg?“Wir diskutierten und improvisierten zu diesen Themen.Paralleldazu arbeiteten wir weiter an den klassischen Passagen.
Wir entdeckten, dass während der einzelnen Szenen in Lessingsklassischem „Nathan“ fast nichts passiert. Es wird sehr intensivgesprochen und verhandelt. Wir sahen uns andere Nathan-Inszenierungenan und stellten fest, dass auch dort die Schauspieler meistnur stehen und sprechen, was wir meistens langweilig fanden. Inden einzelnen Szenen findet kaum etwas statt, was man als Aktionspielen kann. Das machte es für uns schwer, die langen Szenen„lebendig“ zu bekommen.Irgendwann kam die Idee auf, dass wir jeder Szene ein sinnlichesAttribut geben wollten. In der Szene 1. Akt 3. Szene „Al Hafi undNathan“ sind es zum Beispiel die Wohlgerüche und das Schmecken;für die Ringparabel fanden wir das Attribut Sehen bzw. Blindsein.So wurden wir spielerischer und die einzelnen Szenen wurden runderund deutlicher.
Mit „Na dann Nathan“ waren wir bis jetzt noch an keiner Schule.Wir empfehlen den interessierten Lehrern mit ihren Klassen zu unsins KOHI zu kommen. Diese Empfehlung sprechen wir aus, weil imletzten Teil des Stücks – während der Ringparabel – der Raumkomplett verdunkelt wird, was an den meisten Schulen nicht möglichist. Sollte eine interessierte Klasse aber dennoch unser Stückvor Ort sehen wollen, ist das machbar.
Am Ende jeder Aufführung findet mit den Schülern eine Nachbesprechungstatt. Wir beschreiben unsere Herangehens- und Arbeitsweiseund klären eventuell aufgeworfene oder noch offene Fragenzum Stück. Das Feedback, das wir hierbei erhalten, zeugt vongroßer Anerkennung unseres Publikums. Die Auseinandersetzungmit dem Thema Religionskriege – Religionsversöhnung wird starkdurch unsere Aktualisierung des Stoffes, die durch den Zwischenteilgelingt, angeregt.
Zur Vorgeschichte: Eine kleine Theatergruppe hat sich vorgenommen, Klassiker in Kürze und Würze auf die Bühne zu bringen. Die Schauspieler Hannah und Heiner haben ihr Baby sogar bei Aufführungen mit dabei. Das überfordert den Intendanten André, er erleidet ein Burnout und muss in eine Klinik. Die Gruppe arbeitet trotzdem weiter und spielt nun unter neuer Leitung „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing:
Das Stück beginnt werkgetreu mit dem 1. Akt.Das Schauspiel entfaltet sich auf klassische Art, es ist fast ungekürztund mit Genauigkeit inszeniert.
Nach etwa 40 Minuten, am Anfang des 2. Akts, wird es unruhig im Publikum. Ein Zuschauer kann sich nicht mehr halten. Er erregtsich mehr und mehr, bis er es nicht mehr aushält und das Stückdreist durch Zwischenrufe unterbricht. Er steht auf, läuft umher, erschreit herum, den Menschen gehe es in Wirklichkeit doch nur umGeld und keineswegs um Religion!
„Was wollt ihr denn überhaupt mit dem ganzen Nathan-Gelaber?“
Es stellt sich heraus, dass der Mann aus dem Zuschauerraum derehemalige Intendant des kleinen Theaters ist. Er hatte ein Burnoutund war für längere Zeit in einer psychosomatischen Klinik. Jetztist er wieder da. Ja, nicht nur das, er unterbricht die Vorstellung– ein Tabu-Bruch. Die Schauspieler auf der Bühne sind fassungslos.Es entspinnt sich ein heftiger Dialog zwischen den einzelnenFiguren über Sinn und Unsinn des Theaters, über unterschiedlicheGesinnungen bis hin zu erbitterten Vorwürfen über religiöse Einstellungenund Haltungen.Die einzelnen Schauspieler nehmen kein Blatt vor den Mund, spielen sich gegeneinander aus, stehen sich fremd und angriffslustig, fast gewalttätig gegenüber. Gerade noch können härtere Handgreiflichkeiten verhindert werden, indem sich die Gruppe teilt: Die Zuschauer können nun entweder weiter Nathan „konsumieren“ oder gemeinsam mit Burnout-André, dem Weltverbesserer, einen spontanen Lach-Flashmob durchführen. Der Flashmob verläuft erfolgreich und schließlich hat André die Idee, wie der aus dem Ruder gelaufene Abend doch noch irgendwie gerettet werden könnte. Die beiden Gruppen vereinigen sich wieder und das zerstrittene Ensemble spielt, anfänglich widerstrebend, die Ringparabel. Am Ende des Stückes stehen sich zwei Nathans gegenüber – der literarische und der fiktive Nathan. Der eine ist Andrea, die neue Regisseurin der Gruppe, die selbst den Nathan in ihrer Inszenierung spielt, und der andere ist der zurückgekehrte ehemalige Intendant der Gruppe, André, der sich nun nachdenklich verabschiedet. Er setzt seine Kippa auf, entschuldigt sich, geht und lässt das Ensemble zurück.